Wenn man Menschen nach ihrem Selbstbewusstsein fragt, dann hört man selten die Antwort: Davon habe ich genug. Die meisten wünschen sich mehr Selbstbewusstsein, mehr Selbstvertrauen und ein besser ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Es scheint, als könne man nicht genug Selbstbewusstsein haben.
Welche Faktoren spielen für ein gutes und gesundes Selbstbewusstsein eine Rolle? Woher kommt unser Selbstbewusstsein? Was können wir tun, wenn wir ein schwaches Selbstbewusstsein haben? Kann man Selbstbewusstsein lernen oder stärken? Wir besprechen diese Fragen in diesem Artikel und haben Übungen und Tipps für ein gutes und gesundes Selbstbewusstsein zusammengestellt.
Der Ursprung unseres Selbstbewusstseins liegt zum einen Teil in unseren Genen. Zum anderen Teil prägen uns Erfahrungen, die wir in unserer Kindheit machen. Die Gene geben uns Menschen eine Tendenz mit auf den Weg, ob wir zum Beispiel eher introvertiert und schüchtern sind oder extrovertiert und forsch sind. Die Erfahrungen in den ersten Kinderjahren ergänzen unser Selbstbild und unser Denken über uns. Menschen mit einem guten und gesundem Selbstbewusstsein haben als Kind oft positive Erfahrungen gemacht und über sich gelernt:
Positive Erfahrungen für unser Selbstbewusstsein
- Ich bin willkommen
- Ich bin Ok
- Ich bin gut so, wie ich bin
- Ich werde angenommen
- Ich bin wertvoll, ein Geschenk, ein Wunder, etwas Besonderes
- Ich bin ein eigenständiger Mensch mit einer eigenen Persönlichkeit
- Ich darf mich ausprobieren
- Ich spüre die Grenzen
- Ich bin beschützt. Es gibt einen sicheren Hafen, in den ich nach meinen Abenteuern zurückkehren kann
Menschen, die keine guten Erfahrungen in ihrer Kindheit gemacht haben, denken oft über sich, dass sie nicht richtig sind, etwas nicht mit ihnen in Ordnung sind. Sie haben über sich gelernt:
Negative Erfahrungen für unser Selbstbewusstsein
- Ich bin nicht willkommen
- Ich störe, falle zur Last
- Ich habe keinen Platz
- Ich bin nicht wichtig
- Ich bin nicht gut genug
- Andere bestimmen über mich
- Ich bin anderen ausgeliefert und ohnmächtig
Dabei ist es weniger relevant, ob es objektiv wirklich so war. Prägender ist, wie wir es empfunden haben. Ob wir gefühlt haben, dass wir willkommen, angenommen, beschützt waren. Wenn wir uns nicht willkommen und angenommen gefühlt haben, dann zweifeln wir noch als Erwachsene an unserem Wert und an unseren Fähigkeiten. Das hat Auswirkungen auf unser Privatleben und unseren Job.
Wir entwickeln für uns ungesunde Denkmuster und geraten nicht selten in einen Teufelskreis. Die inneren Stimmen erzählen uns Märchen von Zweifel, Scheitern oder dass wir es nicht wert sind. Sie nagen an uns und wir verlieren den Mut. Wir trauen uns immer weniger zu und entwickeln eine übersteigerte Selbstkritik.
Mehr Selbstbewusstsein durch Achtsamkeit
Um aus dieser Gewohnheit, dieser Dauerschleife auszusteigen, kann uns Achtsamkeit helfen. Wir lernen unsere Gedanken zu beobachten und sie nicht zu bewerten. Wenn wir die Gedanken und Überzeugungen über uns erkannt haben, können wir uns mit ihnen bewusst beschäftigen. Wir lernen unsere Fähigkeiten und Schwächen kennen. Mit Übungen können wir uns und unsere Persönlichkeit annehmen, akzeptieren und lieben lernen. Wir können bewusst gut und besser von uns denken. Das stärkt unser Selbstvertrauen und damit auch unser Selbstbewusstsein.
Gedanken und Überzeugungen überprüfen
Sind sie wahr?
Woher kommen sie?
Wem gehören sie?
Von wem habe ich sie übernommen?
Stimmen sie noch mit meinem heutigen Leben überein?
Leisten sie mir heute (noch) einen guten Dienst?
Um der „Wahrheit“ unserer Gedanken auf den Grund zu gehen oder wenn sich Gedanken und Überzeugungen hartnäckig festbeißen, sind die vier Fragen aus dem Buch „The Work“ von Byron Katie hilfreich:
Die 4 Fragen nach Byron Katie „The Work“
Englisch:
1. Is it true
2. Can you absolutely know that it is true?
3. How do you react, what happens, when you believe that thought?
4. Who would you be without that thought?
Deutsch:
1. Ist das wahr?
2. Kannst du dir absolut sicher sein, dass das wahr ist?
3. Wie reagierst du, was passiert, wenn du dem Gedanken glaubst?
4. Wer wärst du ohne diesen Gedanken?
Die Fragen von Byron Katie entlarven Gedanken und Überzeugungen, die uns oft ein Leben lang begleitet, aber uns als Weggefährten meist keinen guten Dienst erwiesen haben. Nimm dir dazu in einem ruhigen Moment genug Zeit. Du kannst die Fragen alleine mit Stift und auf Papier bearbeiten. Oder zusammen mit einem Gesprächspartner. Wenn die Antworten nicht gleich kommen wollen, dann kannst du sie auch beiseitelegen und dein Unterbewusstsein einige Zeit daran arbeiten lassen. Denn Prozess hast du bereits mit der Fragestellung in Gang gesetzt.
Tipps und Übungen für ein gesundes Selbstbewusstsein
Unser Selbstbewusstsein steht in engem Zusammenhang mit unserem Selbstwertgefühl und unserem Selbstvertrauen. Menschen mit einem guten Selbstbewusstsein akzeptieren sich mit ihren Stärken und Schwächen. Wenn du an deinem Selbstbewusstsein arbeiten möchtest, dann arbeitest du parallel auch an deinem Selbstvertrauen und an deinem Wertgefühl für dich.
Tipps und Übungen für dein Selbstbewusstsein
Authentizität – Akzeptiere dich so, wie du bist. Es gibt dich nur einmal. Du bist einmalig. Einzigartig. Etwas Besonderes. Mit allen Fehlern, Macken und Schwächen. Du bist wichtig, wichtig, wichtig!
Akzeptiere deine Fehler und Schwächen. Nimm deine Fehler an und lerne aus ihnen. Versuche, es das nächste Mal besser zu machen. Lerne deine Schwächen kennen. Versuche sie anzunehmen, solange sie da sind, auch wenn du sie zukünftig verändern möchtest.
Erkenne deine Erfolge an. Im Privatleben oder im Job gibt es viele große und kleine Erfolge, die du in deinem Leben schon feiern konntest – falls du die Party verpasst hast, dann hole sie nach und feiere, was dir gelungen ist.
Liste Erfolge. Ein Zettel, ein Buch, ein Word Dokument oder ein E-Mail-Postfach – es ist egal wo oder wie du dir deine Erfolgsliste erstellst. Nur lese sie dir so oft wie möglich durch.
Achte auf negative Selbstgespräche und Zweifel. Achtsamkeit hilft dir bei deiner Selbstreflexion. Wenn du die Nager ertappt hast, lass sie weiter ziehen, mach ihnen klar, dass sie jetzt nicht (mehr) gebraucht werden oder beschäftige sie mit sinnvolleren Aufgaben.
Stehe für dich und deine Überzeugungen ein. Sage, was du denkst und fühlst. Setze und kommuniziere deine Grenzen.
Mutübungen. Versuche Dinge zu üben, die außerhalb deiner Komfortzone, aber noch nicht in deiner Panikzone liegen. Dazwischen liegt die „Lernzone“ und ist ideal, um dich auszuprobieren.
Täglich etwas Neues. Raus aus den Gewohnheiten und rein in neue Abenteuer lautet das Motto, um dein Selbstbewusstsein zu stärken. Probiere täglich etwas Neues aus.
Kontrolle und Loslassen. Es gibt Dinge, die können wir kontrollieren, andere wiederum liegen außerhalb unserer Reichweite und Möglichkeit. Übernimm die Verantwortung und die Kontrolle, wenn du es kannst. Akzeptiere entspannt und gelassen, was außerhalb deiner Macht steht.
Wie geht es dir mit deinem Selbstbewusstsein? Hast du genug davon oder was machst du, um dein Selbstbewusstsein zu stärken? Teile deine Erfahrung in einem netten Kommentar mit unseren Lesern.
Foto: Alexandra Haynak / tsukiko-kiyomidzu auf pixabay