Wie sehr wir alle eine digitale Auszeit nötig haben, ist mir neulich bei einem Treffen mit einer Freundin Anna aufgefallen. Wir saßen in einem kleinen Café. Nichtmal eine Minute nachdem wir uns an einen Tisch gesetzt hatten, klingelte ihr Handy. Sie warf mir einen entschuldigenden Blick zu, flüsterte mir mit dem Gerät am Ohr: „Kaffee ohne Milch und Zucker“ zu und huschte vor die Tür, um zu telefonieren. Als sie wiederkam, war die Tasse mit meinem Tee schon halb leer. Sie erklärte sich mit „neuer Kunde“, und „wichtiges Projekt“. Ihr Handy bimmelte, blinkte und fiepte fast ununterbrochen. Anna warf immer wieder einen Blick darauf, drückte Anrufer und eintreffende Mails weg und bemühte sich in der Zwischenzeit unserem Gespräch zu widmen.
Nachdem wir uns vor der Tür verabschiedet hatten, blieb ich noch einen kurzen Moment stehen. Das war anstrengend, dachte ich mir und ließ das Gespräch Revue passieren. Anna erzählte mir, dass sie in letzter Zeit schlecht schlafen könne, oft müde und gereizt sei. Sie wolle in zwei Monaten in ein Retreat auf Korsika und sich dort erholen. Bis dahin hätte sie noch mit ihrem neuen Projekt zu tun, bei dem sie für alle Beteiligten fast rund um die Uhr erreichbar sein müsse. Durchhalten statt digitale Auszeit heißt die Parole.
Digitale Auszeit – Wie Smartphones & Co unser Leben bestimmen
Wie Anna, leben wir mittlerweile in einer digitalen Welt. Morgens wachen wir auf – oft geweckt vom Handy-Wecker – und unser erster Blick fällt auf den Bildschirm. Wir telefonieren, texten, schauen Videos, lesen Nachrichten, bestellen unser Essen, erledigen unsere Bankgeschäfte mit dem kleinen Gerät. Nachdem wir tagsüber viel Zeit am PC-Bildschirm verbracht haben, schalten wir abends den Fernseher ein, auf der Suche nach leichter Kost und Abwechslung zum Stress des Tages.
Ein Retreat oder einen Urlaub in der Sonne ist sicher eine gute Idee, um sich zu entspannen oder Kraft zu tanken. Doch können wir nicht schon im Alltag besser auf uns achten und uns dem Stress entziehen, der täglich digital auf uns einprasselt? Wäre es nicht gut, wenn wir uns kleine digitale Auszeiten schaffen, die uns täglich begleiten, in denen wir uns bewusst dafür oder dagegen entscheiden? Was müssten wir verändern, damit eine digitale Auszeit unser Leben verbessert? Damit wir uns besser fühlen?
Selbst wenn man beruflich so eingespannt ist wie Anna, kann man sich mit einfachen Tipps mehr Raum und Zeit in seiner Welt schaffen.
Digital Detox – Digitale Auszeit bewusst entscheiden und planen
Digital Detox oder auch eine digitale Auszeit ist eine bewusste Entscheidung, ein bewusster Verzicht. Wir entscheiden uns für eine Auszeit von digitalen Geräten und Medien, wie Smartphone, Tablet, Computer oder Fernseher. Eine Studie der Universität Bonn hat herausgefunden, dass wir unser Smartphone 53 Mal am Tag entsperren. Das ist abzüglich der Schlafenszeit von 8 Stunden alle 18 Minuten – das kann man erstmal sacken lassen.
Digital Detox – Tipps für eine digitale Auszeit
Handyfreies Schlafzimmer
Das Smartphone während der Nacht nicht ins Schlafzimmer legen. Damit vermeiden wir, dass wir durch Blinken oder eintreffende Nachrichten versehentlich geweckt werden.
Wecker – analog oder digital
Smartphone Wecker durch einen echten Wecker ersetzten. Das darf natürlich auch ein digitaler Wecker sein. Wir vermeiden, dass unser erster Griff am Morgen schon das Smartphone ist, bei dem wir die Weckfunktion ausschalten wollen. Wenn das Gerät in der Hand ist, dann ist der nächste Blick in die E-Mails oder auf Social Media oft verführerisch.
Bewusst in den Tag starten
Das kann ein schönes Frühstück, eine Mediation oder eine Yoga Sequenz sein. Wer gar nicht auf Nachrichten verzichten möchte, der kann die Zeitung lesen – ein schönes Gefühl, das raschelnde Papier in den Händen zu halten.
Nur nötige PC-Programme nutzen
Während der Arbeit im Büro oder Homeoffice am PC kann man alle Programme schließen, die man nicht nutzt und die einen ablenken könnten. Dazu gehöre zum Beispiel soziale Netzwerke oder das E-Mail-Programm. Damit man keine wichtigen Informationen verpasst, die per E-Mail eintreffen, kann man sich Zeitfenster einrichten, in denen man elektronische Nachrichtenpost bearbeitet.
Mittagspause ohne Handy
Ob wir in der Kantine, beim Italiener nebenan oder zu Hause essen – unser Handy ist unser steter Begleiter. Während der digitalen Auszeit kann man nach dem Mittagessen einen Spaziergang machen, die Sonne genießen oder eine kurze Meditation durchführen.
Auf TV verzichten
Ciao, Ciao TV. Zugegeben, der Fernseher ist meist nicht so sehr verantwortlich für unseren täglichen Stress, sondern für unsere vermeintliche Entspannung. Aber er ist einer der größten Zeitfresser. Zeit, die wir qualitativ besser nutzten könnten. Diese fernsehfreie Zeit können wir bewusst für (neue) Hobbys nutzen, uns mit Freunden treffen oder ein schönes Buch lesen – das entspannt mehr als das Binge-Watching auf Netflix. Dafür planen wir bewusst fernsehfreie Abende in unserer Woche ein oder wir stellen den Fernseher für eine bestimmte Zeit in den Keller. Aus den Augen aus dem Sinn.
Abende oder Wochenende mit Freunden verbringen
Ob Spieleabend im Winter oder Grillfeste im Sommer – Zeit mit Freunden und Familie im Alltag zu verbringen kann man bei einer digitalen Auszeit auch ohne Smartphone. Der Kontakt zu anderen Menschen aktiviert zudem unseren Parasympathikus und tut unserer Seele gut.
Fazit digitale Auszeit:
Bei einer digitalen Auszeit machen wir uns bewusst, wie viel Zeit wir mit digitalen Geräten und Medien verbringen. Im nächsten Schritt können wir uns überlegen, welche einfachen Möglichkeiten wir haben, uns bewusst Freiraum in unserem Alltag zu schaffen. In diesem frei geschaffenen Raum haben wir wieder mehr Zeit für uns, unser Leben und Menschen um uns herum. Kurz: Für die wirklich wichtigen Dinge im Leben.
Digital Detox – Wie erging es dir bei deiner digitalen Auszeit und was hast du daraus gelernt? Welche Tipps haben dir geholfen? Wir freuen uns, wenn du deine Erfahrung in einem netten Kommentar mit unseren Lesern teilst.
Foto: Bibiane Speer